Text: Christine Sattler
Quelle: http://www.mediaculture-online.de/blog/?p=12778
Was ist privat und wie ist das mit den Bildern im Internet? Um diese Fragen ging es heute bei einer Veranstaltung des Projekts 101 Schulen in der Immenhoferschule – Schule für Hörgeschädigte in Stuttgart. Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 7 bis 9 erarbeiteten in einem Workshop gemeinsam mit Referent Thorsten Belzer, was es mit Bild- und Persönlichkeitsrechten im Netz auf sich hat und wie sie sich kritisch mit den Angeboten im Netz auseinandersetzen.
Das Besondere an diesem Workshop war, dass die Immenhoferschule die hunderundeinste Schule ist, an der eine Veranstaltung im Rahmen des Projekts stattfindet. 101 Schulen ist im Frühjahr 2011 mit dem Ziel gestartet, an mindestens 101 Schulen in Baden-Württemberg die Medienkompetenz von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern zu fördern. Das Interesse an den Workshops, Vorträgen und Fortbildungen war so groß, dass sich innerhalb kurzer Zeit 180 Schulen angemeldet hatten. Mit dem Schülerworkshop an der Immenhoferschule erreichte das Projekt heute die magische Zahl 101.
Bei Kwick ist keiner mehr “on” – alle sind jetzt bei Facebook
Als Lockerungsübung und zum Kennenlernen bekommen alle Schüler die Aufgabe, auf bunte Zettel zu malen oder zu schreiben, was sie im Netz machen. Eine Schülerin, Sirin, hat sich bereit erklärt, von ihren Mitschülern Fotos zu schießen, wie sie mit den Zetteln in der Hand posieren. “Facebook”, “Youtube”, “E-Mail”, “Chat”, “Videos” oder “Fotos anschauen” steht da. “Wisst ihr jetzt mehr über euch und was ihr im Internet macht?”, fragt Workshop-Leiter Thorsten Belzer die Gruppe. Klassenlehrerin Frau Engert und ihre Kollegin Frau Gold übersetzen die Fragen und Antworten in Gebärdensprache. Sirin meldet sich und stellt fest, dass fast alle in Facebook sind, sie hat es genau beobachtet, da sie hinter der Kamera stand und die Fotos gemacht hat. Auf einem von Murats Zetteln steht Kwick. Robert sagt, dass Kwick scheiße sei. “Warum?”, will Belzer wissen. “Immer wenn ich bei Kwick Bilder hochgeladen habe, waren die nach ein paar Tagen wieder weg. Außerdem ist da niemand on. Weil alle bei Facebook sind”, sagt Robert.
Ich will, dass ihr denkt bevor ihr postet
Unterwäsche ist keine Info für die Öffentlichkeit
Alle sind bei Facebook, aber nicht alle sind sich sicher, was da genau hineingehört und was man besser für sich behält und nicht mit anderen teilt. Belzer macht diese Frage bei einer praktischen Übung greifbar. Auf dem Fußboden liegen vier Karten: PRIVAT – ÖFFENTLICH – NUR FREUNDE – NICHT SICHER. Die Schülerinnen und Schüler suchen sich eine Information, ein Thema oder einen Satz von einer Liste aus, und die Gruppe entscheidet anschließend, ob diese Information gepostet werden sollte und falls ja, wer sie lesen darf. “Deine Eltern streiten sich!” Nein, diese Information ist privat; die Gruppe ist sich einig, diese Info geht niemand etwas an und ist privat.
“Geburtstag” – öffentlich posten? “Ja, klar, das machen doch alle”, sagt Marek. Eine Mitschülerin schlägt vor, das Geburtsjahr wegzulassen. “Was ist denn das Spannende, wenn man seinen Geburtstag öffentlich macht?”, will Belzer wissen. “Dann gratulieren einem alle und man fühlt sich fame”, bringt es Sirin auf den Punkt. “Ich will euch nicht sagen, dass ihr nichts machen sollt im Netz. Ich will nur, dass ihr verstanden habt, dass ihr erst nachdenkt, bevor ihr was öffentlich macht”, sagt Thorsten Belzer am Ende der Diskussion privat vs. öffentlich. Dass einmal gepostete Inhalte auch noch nach Jahren im Netz herumgeistern können, auch wenn man sie eigentlich gelöscht hat, verdeutlicht folgender Videoclip, den sich die Gruppe angeschaut hat.
Das Internet vergisst nichts
“Für gehörgeschädigte Schüler spielen Soziale Netzwerke und Chats eine besondere Rolle bei der Kommunikation. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Schüler mit Rechten, Datenschutz und dem Umgang mit persönlichen Informationen auseinandersetzen”, sagt Schulleiterin Jutta Solscheid. Im Mittelpunkt von Unterricht und Schulleben stehen in der Immenhoferschule das soziale Miteinander und eine Atmosphäre, bei der sich jeder wohlfühlt und alle sich gegenseitig respektieren. Diesen Ansatz möchte die Schule auch ins virtuelle (Schul-) Leben im Internet übertragen. Für Schulleiterin Frau Solscheid ist deshalb Medienbildung ein wichtiges Thema, mit dem sich die Schule auch in Zukunft intensiv beschäftigen möchte.
Infos zum Projekt 101 Schulen
Das Projekt 101 Schulen ist Teil der Initiative Kindermedienland Baden-Württemberg. Schulen aus allen Stadt- und Landkreisen sowie aller Schularten können sich anmelden und mitmachen. Angeboten werden Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte. Interessierte Schulen können sich bei der medienpädagogischen Beratungsstelle des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg anmelden: Telefon: 0711 2850-777 oder E-Mail: beratungssstelle@lmz-bw.de